10 Fragen an... Karolina Seibold

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1. Kannst Du dich erinnern, wann du zum ersten Mal erzählt hast?

Öffentlich frei erzählt habe ich zum ersten Mal im Radio – ich hatte neben meiner journalistischen Tätigkeit für den öffentlich rechtlichen Rundfunk auch viele Jahre eine eigene Sendung bei dem Frankfurter Lokalradio Radio X. Sie hieß Wege zum Ruhm und da ich damals wenig Zeit für aufwändige Vorbereitungen hatte, begann ich dort frei und mehr oder weniger aus dem Stehgreif Geschichten zu erzählen.

2. Wie bist du zur Goldmund-Erzählerin geworden?

Das freie Erzählen im Radio hat mir sehr viel Spaß gemacht und so wuchs der Wunsch, tiefer in diese Kunst einzutauchen und möglichst viel dazu zu lernen. Ich fing also an zu recherchieren und musste unweigerlich bei der Goldmund Erzählakademie landen. Was mich bei Goldmund besonders ansprach war, dass hier die Freiheit der Erzähler, ihre Kreativität und die Persönlichkeit jedes einzelnen auf sehr professionelle Weise gefördert und ausgebildet werden.

 

3. Wo erzählst du am liebsten?

Im kleinen Kreis aufgeschlossener und neugieriger Menschen – ich brauche möglichst direkten Kontakt zum Publikum. Das Glänzen in den Augen, das Lachen, die Stille, wenn alle den Atem anhalten, die Zwischenrufe, die Freude und natürlich den Applaus.

 

4. Wie bringt man dich aus der Fassung?

Das verrate ich besser nicht. ;) ;) ;)

 

5. Es war einmal... deine allererste Erzählung.

Eine sehr komplexe Geschichte, die ich auf jeden Fall noch einmal aufarbeiten möchte. Sie handelt von einer jungen Frau, Belisa, die ihre Heimat verlässt auf der Suche nach einem besseren Leben. Sie kann weder lesen noch schreiben, ja sie weiß noch nicht einmal, dass so etwas wie das geschriebene Wort existiert. Als sie die Schrift entdeckt, ist sie davon so fasziniert, dass sie sich selbst Lesen und Schreiben beibringt und fortan ihr Geld damit verdient, für andere Menschen zu schreiben. Gedichte, Geschichten, Briefe... Jeder, der bei ihr für 50 Centavos Worte kauft, bekommt ein Wort geschenkt – ein ganz besonderes natürlich. Persönlich und geheim.  Eines Tages fällt Belisa in die Hände der Guerilla. Deren Anführer, der Coronel, will, dass sie ihm eine Rede schreibt. Er hat den Krieg und das Morden satt und will die Menschen mit Worten von seiner Sache überzeugen. Die Rede, die  Belisa ihm schreibt, kostet zwar nur einen Peso, ist aber so überzeugend, dass selbst den harten Kämpfern des Coronel die Tränen in den Augen stehen, als sie sie hören. Und dann flüstert Belisa dem Coronel die beiden Worte ins Ohr, die ihm als Dreingabe zustehen. Und was diese beiden kleinen Worte mit dem großen Guerillero machen, das muss ich unbedingt nochmal erzählen...

 

6. Dein Tipp für das erste Mal?

Sich einfach sagen, dass die Menschen, die jetzt da sitzen um mir zuzuhören, mir wohl gesonnen sind, sonst wären sie nicht gekommen. Diese Menschen wollen, dass es mir gut geht. Und ich wünsche mir das Gleiche für sie. Ich wünsche mir, dass sie, während ich erzähle, ein kleines bisschen glücklicher werden.

 

7. Wo findest du deine Geschichten?

Viele meiner Geschichten kommen aus dem spanischsprachigen Raum, aus Argentinien, Chile, Mexiko, Kolumbien... Um die Sprache zu üben, lese ich die Geschichten meist im Original. Das hat den großen Vorteil, dass ich, wenn ich sie auf Deutsch erzähle, immer schon meine eigenen Worte benutze und die Gefahr, am geschriebenen Text zu kleben, gar nicht erst entsteht.

 

8. Dein schönstes Erzählerlebnis.

Da sind so viele wunderbare Augenblicke - jedes Mal aufs Neue bin ich völlig begeistert, wenn ich während des Erzählens spüre, dass der Funke überspringt. Das ist wie ein Spiel zwischen den Zuschauern, der Geschichte und mir. Der Moment, wo ich überhaupt nicht mehr nachdenke – einfach in der Geschichte bin und mich mitnehmen lasse wie auf einer Welle. Wie surfen! Das ist großartig!

 

9. Wie bereitest du dich vor?

Wenn ich eine Geschichte gefunden habe, die ich gerne erzählen möchte – manchmal sind es auch nur ein paar Zeilen, die etwas in mir auslösen und die ich dann weiterspinne, gehe ich in der ersten Phase viel spazieren und versenke mich in die Situation, halblaut vor mich hin murmelnd und meist nimmt die Geschichte dann ihren Lauf, mäandert, verändert sich, Bilder entstehen, Charaktere. Im zweiten Schritt suche ich dann Namen für meine Protagonisten. Sie müssen passen, sich gut anfühlen, wenn ich sie ausspreche. Ich lasse zu, dass sich die Geschichte während des Übens ständig verändert und bin immer wieder überrascht, welche Wendungen so ein Plot nimmt, wenn ich in Aktion bin. In einer nächsten Phase stelle ich mich dann gerne vor den Spiegel, teste Gesten und Stimmen und versuche den speziellen Sprechmuskel, den ich für diese besondere Geschichte brauche, zu trainieren. Jede Geschichte hat ja ihre eigene Sprache und jedes Mal fange ich neu an, wenn ich versuche, diese Sprache zu finden und sie meinem Mund  geläufig zu machen. Das ist immer wieder zäh, aber da ich weiß, dass es dazu gehört, schreckt es mich nicht mehr so ab. Im Gegenteil. Ich liebe diese Phase der Vorbereitung.

 

10. Was sind deine Pläne für die nächste Zukunft?

Ganz direkt steht am 24. Oktober das nächste Frankfurter Erzählfest „Goldmund am Main“ auf dem Plan, zu dem ich hiermit alle Leserinnen und Leser noch einmal ganz herzlich einladen möchte. Es erwarten Sie großartige Erzählerpersönlichkeiten wie Monika Lößl und Reinald Rickmeyer und ich verspreche Ihnen ganz wunderbare Geschichten. Es geht um „Weibsbilder“ jeder Coleur, ein unerschöpfliches und rasantes Thema, auf das ich mich persönlich natürlich auch sehr freue, als Organisatorin, aber auch als Erzählerin und Zuschauerin. Reservierungen nehme ich gerne direkt entgegen. Einfach eine Mail schicken an info@karolinaseibold.de

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