Norbert Kober auf dem internationalen Erzählfest "Kanoon" in Teheran

Der kleine Bär in Teheran
Der kleine Bär in Teheran

„Es war einmal, und es war keinmal…“ mit diesen Worten haben alle unsere iranischen Kolleginnen und Kollegen ihre oftmals bittersüßen Geschichten begonnen. Und für mich heißt es: „Es war einmal ein Kober im Iran, und er war sehr glücklich…!“ Dabei hat es gar nicht so glücklich begonnen.

Nachdem ich drei Geschichten und diverse Videos eingereicht habe, wurde ich von den Veranstaltern gefragt, ob ich einen deutschen oder einen englischen Übersetzer bräuchte. Ich antwortete, dass ich mit deutsch-arabisch wie auch mit englisch-arabisch gut umgehen könnte. Dann war Funkstille. Dann kam eine zweiseitige Mail in dem dem Okzidenten erstmals erklärt werden mußte, dass er vielleicht in ein persisches und ganz bestimmt in kein arabisches Land eingeladen werden würde (so freundlich wurde mir noch nie per Mail der Kopf gewaschen).

Da war für mich auch schon klar, dass ich meine Bewerbung zum 18. internationalen Erzählfestival „Kanoon“, ins Land des Urtextes von 1001Nacht,  bestimmt gleich vergessen kann. Es kam anders, Götter sei Dank. Wir waren 12 internationale und 18 iranische ErzählerInnen. Und es ist in der kurzen Zeit eine wunderbare Gemeinschaft gewachsen.

 

In den Bildern unten stelle ich Dir unsere Kolleginnen und Kollegen kurz vor. Das Festival dauerte vier Tage. Unsere Übersetzer waren allesamt Sprachlehrer in Teheran die auch in den jeweiligen Ländern gelebt haben.

 

Mein Übersetzer Mohammad Rafii hat 15 Jahre in Hamburg gelebt, als Taxifahrer. Damals konnte er zweimal im Jahr in den Iran fliegen. Als Sprachenlehrer im Iran kann er alle zehn Jahre einmal nach Hamburg fliegen. Er ist ein großes Erzähltalent. Binnen zweier Stunden hatten wir den „Dreh“ raus, wie wir, anstatt in Sätzen, in sinngebenden Einheiten erzählen um die Übersetzung fließender zu machen. Vermutlich ist unser Erfolg (1. Preis für den Erzählstoff, + Publikumspreis) darauf zurückzuführen - wir erzählten zweisprachig `fließend´. 

 

Doch nun zu den Bildern:


Vor dem Shahpalast

vor dem Shahpalast

Hier sind unsere KollegInnen. von Links nach Rechts: Grace Wangari aus Kenia, Mike Lockett aus den USA, Daniel Alfredo Corredor aus Chile, Deepa Kiran aus Indien, Beatrice Montero aus Spanien, Minoo Abdoolah die Projektleiterin, Enrico Paez aus Spanien (er ist Gründer des internationalen ErzählerNetzwerks cuentacuentos.eu), Marion Kenny aus Schottland, Fatima Jaber aus dem Libanon, Suzanne Sower aus Australien, meine Wenigkeit und Rikke Alexander aus Dänemark. Im Hintergrund ist der sogenannte weiße Palast (direkt dahinter ist eine Art Plattenbau entstanden :-( 

Flaschengeist

Norbert mit seinem Flaschengeist

Natürlich habe ich auch einen dreifragigen Flaschengeist gefunden; er paßte aber nicht ins Fluggepäck!

Erzähler sind Kindsköpfe

Norbert Kober mit Kollegen

Wir Erzähler sind schon rechte Kindsköpfe. Hier ein Selfie vor einer Sehenswürdigkeit. Welche? Keine Ahnung, kann nix sehen ! :-)

Erste Reihe und unwohl

Norbert Kober in der ersten Reihe

Mir wie auch meinem Übersetzer war es nicht wirklich wohl da in der ersten Reihe kurz vor der Preisverleihung.

Preisverleihung

Norbert Kober erhält den ersten Preis

Dann bei der Preisverleihung fühlten wir uns dann doch schon wieder ein bisschen besser. Die Preise hängen in unserer Goldmund-Bienenwagen-Bibliothek (sie wird am 30. Juli wieder eröffnet - Du bekommst eine Einladung). Den Teppich den ich geschenkt bekommen habe, fliegt nicht (ich war schon froh, dass er mit mir nach Hause `fliegen´ konnte. Für die Gepäckaufzahlung (Gewicht) hätte ich auch in München einen kleinen `Perser´ bekommen - aber gewonnen ist viel viel schöner.)

Titel der Kulturbeilage

Norbert Kober auf dem Titel der Kulturbeilage der größten Iranischen Tageszeitung

Tags darauf fand ich mich mit der Geschichte aus dem Kinderprogramm auf dem Titel der Kulturbeilage wieder :-)

Ein traditioneller iranischer Erzähler

Ein traditioneller iranischer Erzähler

Sehr beeindruckend war dieser iranische Erzähler. Traditionell hat er anhand eines Bildes erzählt. Mit seinem Stock hat er alles mögliche gemacht; er ist darauf geritten, hat mit ihm getanzt, auf das Bild gezeigt, ihn geküßt …. und mit einer unglaublichen, für uns sehr ungewöhnlichen Wucht. Leider konnte ich keine Videos machen - es war nicht `gern gesehen´. Uns wurde aber versprochen, dass wir die offiziellen Videos bekommen - diese teile ich dann mit Dir.

Deepa mit einer iranischen Erzählerin

Deepa mit einer iranischen Erzählerin

Deepa (rechts) und meiner Lieblings-iranischen Erzählerin. Diese sieht so unscheinbar aus, aber ist eine wirklich große Wohltat für Auge, Ohr, Seele. Deepa aus Nordindien hat mich ob ihrer Gestik unheimlich beeindruckt - ohne es bewußt zu wollen, tanzt sie ihre Geschichten. 

Festivalende

Festivalende Kanoon

Es war ein schönes Fest und eine wunderbare Gemeinschaft der ErzählerInnen untereinander. Dieses Bild ist am Ende des Festivals entstanden. Im Hintergrund Jurymitglieder, links die iranischen ErzählerInnen und mittig/rechts die internationalen Gäste. 


Für mich als Didaktiker war eine Einsicht am wichtigsten: Freies, mündliche Erzählen ist etwas für die Augen. Irgendwie klar war mir dies schon aus meinen eigenen Forschungsarbeiten, aber richtig klar, war es mir erst nachdem ich in Folge fünf Geschichten gehört (gesehen) hatte, deren Inhalt ich nicht verstehen konnte (mein Übersetzer hatte Privatschüler und konnte an diesem Nachmittag nicht kommen). Und als ich merkte, dass meine Augen einfach auf diesen persischen ErzählerInnen patexhaft hafteten, da wurde es mir ganz ganz klar: Erzählen ist für die Augen. Am letzten Festivaltag hat die fünfköpfige Jury ihre Beobachtungsbögen offengelegt und staune: ein ganze Kategorie war der (von mir dürftig übersetzten) Frage bestimmt: „Welcher Anteil an der Geschichte wurde außersprachlich dargestellt?"

 

Ich hoffe Dir einen kleinen Eindruck meiner Reise für das Erzählen und für Goldmund e.V. gegenben zu haben. Wenn Du selbst erzählst, so soll Dir dieser kleine Bericht Mut geben selbst strebend zu üben, und selbst einmal erzählend zu reisen.

 

Nur die besten Geschichten für Dich

 

:-) Norbert

Kommentar schreiben

Kommentare: 5
  • #1

    Lore Vörg (Montag, 07 März 2016 16:18)

    Wow, das war ja ein fantastisches Erlebnis! Wer denkt schon, dass man mit Erzählen solch weltweite Kontakte und bereichernde Erfahrungen - fachlich und menschlich - sammeln kann! Richtig beneidenswert. Danke für den spannenden Reisebericht. Und vielleicht ist der Teppich ja auch ein fliegender u. kann Dich zu neuen Abenteuern tragen! Viele Grüße, Lore

  • #2

    Aliki (Montag, 07 März 2016 18:33)

    Danke für diesen Bericht! Es ist eine Wohltat, aus dem Nahen Osten mal wieder gute Nachrichten zu lesen und ich freue mich über das Miteinander dieser sicher sehr verschiedenen Menschen.
    Würde gerne noch viel mehr über das Festival und die Erzähler erfahren und freue mich schon auf das Video.

  • #3

    Karolina Seibold (Dienstag, 08 März 2016 11:25)

    Lieber Norbert! Vielen Dank für diese reichen Eindrücke. Was für ein großartiges Erlebnis und sicher werden wir dich noch ganz oft bitten uns davon zu erzählen. Freue mich schon auf das offizielle Video! Herzlichst, Karolina

  • #4

    Natascha (Mittwoch, 09 März 2016 10:32)

    Wow, Hut ab und vielen lieben DANK!

  • #5

    Yazdani (Donnerstag, 10 März 2016 20:05)

    Lieber Norbert,
    dein erzählerischer Bericht über das Erzählfestival im Iran hat mich fasziniert. Mit deinem Bericht habe ich eine spannende Fantasiereise in den Iran gemacht. Ich freue mich sehr und bin stolz darauf, dass ich ich dich durch Zufall für dieses Festival entdeckt und gewonnen habe. Noch mehr freue ich mich, dass deine Reise neben den besonderen Erlebnissen auch ein Erfolg war. Ich hoffe, dass das iranische Publikum in der Zukunft noch mehr von dir hört und sieht. Wenn Sie mir erlauben würden, möchte ich über die Sensibilität der Iraner zu arabischer Sprache erzählen. Da Iran überwiegend ein islamisches Land ist und dessen Schriftsprache auch Arabisch ist, bezeichnen viele Europäer die Iraner als Araber. Auch in vielen Lexika sind etliche große iranische Wissenschaftler, Dichter und Philosophen als Araber bezeichnet, da sie viele ihre Werke damals in Arabische Sprache schreiben mussten. Dazu kommt die historische Niederlage der Iraner gegen Araber im 6./7. Jh. Auch gegenwärtig leidet Iran seit über 35 Jahren unter der Herrschaft eines islamisch-arabisch orientiertes Regime. Ich hoffe, dass ich die Thematik ein wenig verdeutlichen könnte.
    Wie ich schon in meinen E-Mails angedeutet habe, würde ich mich auf dein persönliches Kennenlernen sehr freuen und deshalb lade ich dich gerne nach Bremen (meine zweite Heimatstadt) ein und werde mich auch freuen, wenn ich dir während deinen evtl. künftigen Erzählreisen in Bremen zur Verfügung stehen kann.
    Mit erzählerischen Wünschen!

    Yazdani